Raumfahrtmobilität und -antriebe
Eine der größten Herausforderungen der Raumfahrt ist der Zugang zum Weltraum. Leistungsstarke, verlässliche und umweltschonende Antriebe spielen die zentrale Rolle, um die Erdanziehung zu überwinden und über die Grenzen der Atmosphäre ins All vorzustoßen.
Gegenwärtig ist die Wettbewerbssituation im Bereich des Raumtransports sehr dynamisch. Internationale Agenturen und Unternehmen stehen unter dem Druck, etablierte Systeme zu immer niedrigeren Kosten herzustellen, zu starten und zu betreiben. Neue Konstruktions- und Produktionsmethoden, Systemvereinfachungen (z.B. Komponentenreduktion), modulare Bauweisen (und damit eine Erhöhung der Produktionskadenz einzelner Module), sowie neue betriebliche Anforderungen und Funktionalitäten (z.B. Wiederverwendung) zielen darauf ab, die Kosten für den Zugang zum Weltraum massiv zu senken. Alle diese Innovationen müssen erforscht und auf ihre Effektivität, Verlässlichkeit und Sicherheit hin erprobt und optimiert werden.
Darin liegt eine einzigartige Chance: Die Demokratisierung des Weltraums und die Ausschöpfung des kommerziellen Potentials der privaten Raumfahrt hängt in hohem Maße von (1) einem nachhaltigen Betrieb im All und (2) einem zuverlässigen und kostengünstigen Zugang zum Weltraum ab. Es ist daher unabdingbar, das Engagement im Bereich Zukunft des Raumtransports weiter zu intensivieren und die Region zu einem weltweit führenden Zentrum zukunftsweisender Raumfahrtantriebssysteme zu machen. Konkret besteht ein dringender Bedarf an Forschung und der Erprobung von Raumfahrtantriebssystemen, ihrer Komponenten und der dazugehörigen Betriebskonzepte und Systeme, um innovative und wettbewerbsfähige Lösungen schnell zur Marktreife zu bringen.
Raumfahrtantriebe sind einerseits der entscheidende Kostenfaktor, andererseits die maßgebliche Technologie, die über den flexiblen Zugang zum Weltraum entscheidet. Im Bereich der Trägerraketen steht Europa vor großen Herausforderungen, da US-amerikanische Konkurrenzunternehmen ihre Antriebssysteme für Trägerraketen kontinuierlich erneuern und die Kosten für den Zugang zum Weltraum immer weiter senken. Die Wiederverwendbarkeit, ein Mittel zur Kostensenkung und zur Erhöhung der Nachhaltigkeit, beruht auf Rückführungsstrategien, die meist einen angetriebenen Flug beinhalten. Für diesen sind aber die aktuell in Europa verfügbaren Raketenantriebe nicht ausgelegt und ungeeignet. Ohne die Verbesserung konventioneller Systeme aus dem Blick zu verlieren, muss das Hauptaugenmerk der Forschung dennoch auf der Frage liegen, wie der Zugang zum Weltraum heute neu gedacht und umgesetzt werden kann.
Der Zugang zum Weltraum ist jedoch nur einer der Aspekte, die angegangen werden müssen. Mit der steigenden Anzahl von Systemen im Weltraum und der zunehmenden Komplexität der an diese Systeme gestellten Anforderungen steigt auch der operative Aufwand für deren Steuerung und Kontrolle vom Boden aus.
Es werden daher flexiblere und vermehrt autonome und intelligente Systeme benötigt. Diese Systeme müssen in der Lage sein, eigenständig die beste Handlungsoption algorithmisch zu bestimmen und umzusetzen – bspw. um Kollisionen mit anderen Systemen zu vermeiden. Dies erfordert technische Lösungen, die betriebliche Manövrierstrategien (analog zu "rechts vor links") bieten und damit dem in Zukunft steigenden Weltraumverkehr (z.B. große Satelliten, Klein- und Kleinstsatelliten, Raketensysteme, Weltraumschrott) Rechnung tragen.
Die Diversifizierung der Raumfahrtplattformen und das Aufkommen kleinerer Satelliten, sowie die Miniaturisierung von Schlüsseltechnologien, wie Stromaggregate und Chips, haben auch klein- und mittelständigen Unternehmen, die innovative weltraumgestützte Lösungen für Nicht-Raumfahrtbereiche anbieten, den Zugang zum Weltraum erleichtert. Gleichzeitig hat der anhaltende Trend zur Standardisierung, dessen bestes Beispiel die CubeSat-Norm ist, dazu geführt, dass eine große Anzahl kleinerer Satelliten gestartet wurde und viele weitere für das nächste Jahrzehnt geplant sind.
Allerdings sind nicht alle Technologien und Subsysteme gleichermaßen entwickelt und vorangetrieben worden. Obwohl der Raumfahrtantrieb eine wichtige Voraussetzung für jede Raumfahrtaktivität ist, wurde bei den Antriebssystemen, im Gegensatz zu anderen Teilsystemen, nicht derselbe Grad an Innovation erreicht. Tatsächlich gibt es nicht ohne weiteres kommerzielle Standardlösungen für Antriebssysteme für alle Schubbereiche, die für den Zugang zum Weltraum, die Rückkehr aus dem Weltraum und die Aktivitäten im Weltraum benötigt werden. Darüber hinaus basieren die meisten heute eingesetzten Antriebssysteme entweder auf lagerfähigen, aber toxischen Treibstoffen oder verfügen nicht über die erforderliche Flexibilität. Aus diesem Grund bleibt der Weltraumantrieb eine Hürde für die Entfaltung einer Vielzahl von Anwendungen und Aktivitäten und für die Ermöglichung einer neuen Ära der Weltraummobilität, die uns bevorsteht.
Aus Systemperspektive betrachtet, werden die folgenden Innovationen im Bereich der Raumfahrtantriebe und des Raumtransports in der näheren Zukunft zu weiteren Technologiesprüngen führen:
- vollständige Autonomie und Hardware-in-the-Loop auf Grundlage einer vorausschauenden Zustandsüberwachung, autonome Steuerung und Wartung von Raumfahrtsystemen und von deren Teilsystemen
- COTS (Commercial Off The Shelf) Antriebssysteme, die saubere Treibstoffe für kleine Satellitenbusse verwenden, um (a) ihren Geschäftswert zu steigern und (b) ihren Beitrag zum Problem des Weltraummülls zu beseitigen, indem sie nach Ablauf ihrer Lebensdauer deorbiert werden und so zur Kollisionsvermeidung beitragen
- Transport, Betankung und Wartung in der Erdumlaufbahn
- Senkung der Kosten von elektrischen Antriebssystemen, einschließlich der Anpassung an konventionellere Treibstoffe, die leichter zugänglich und kostengünstiger sind (einschließlich luftbetriebener Systeme) und erhöhte Flexibilität von Antriebssystemen für den Zugang zum Weltraum, um Rückführungsszenarien zu ermöglichen