Autor: Wolfram Marstatt
Titel: Verifikation von Bewegungsabläufen mittels zielverfolgender Tachymetrie
Art: Diplomarbeit
Jahr, Nr.: 2009, #406
Betreuer: Dipl.-Ing. Peter Wasmeier (TU München, LfG)

Aufgabenstellung
Motorisierte selbstzielende Tachymeter gehören zum Standardinstrumentarium der geodätischen kinematischen Messtechnik. Wirtschaftlich eingesetzt werden sie vor allem zur kontinuierlichen Bestimmung der Trajektorien von bewegten Objekten, z.B. Baumaschinen, und deren Positionsvergleich mit einer Sollvorgabe im Sinne eines Regelkreises. Sind keine projektierten Vergleichsgeometrien vorgegeben, ist auch die ausschließliche Ableitung der tatsächlichen Bewegungsspur möglich, wobei Filteralgorithmen zur Glättung herangezogen werden müssen. Diese Verfahren werden – auch mit Nutzung von GPS – in der Geodäsie verbreitet eingesetzt und haben ihre Tauglichkeit zur Positionsbestimmung unter Beweis gestellt. Erfasst man Bewegungsabläufe mit unterschiedlichen Sensoren, so ist unter Berücksichtigung der jeweils erreichbaren Genauigkeiten auch ein gegenseitiger Vergleich möglich. Im Rahmen einer Anfrage der Cairos technologies AG soll ein auf Bildverarbeitung basierendes Trackingsystem für Fußballspieler mittels geodätischer Methoden verifiziert werden. Das Augenmerk liegt dabei auf der zurückgelegten Laufstrecke sowie der jeweiligen Durchschnittsgeschwindigkeit pro Streckeneinheit.

Zu diesem Zweck ist ein aus motorisierten Tachymetern bestehendes System im Vorfeld mittels unterschiedlicher Bewegungsabläufe auf seine Eignung zur Erfassung von Trajektorien und deren zeitlicher Ableitungen zu untersuchen. Es sind geeignete  Filterungsalgorithmen (v.a. Kalmanfilterung) anzuwenden, um die gewonnenen Daten zuverlässig glätten und eine Genauigkeitsaussage treffen zu können. Diese Algorithmen müssen dabei auch Geschwindigkeiten und Beschleunigungswerte abdecken können.

Kurzfassung
Das Einführungskapitel beinhaltet neben einer allgemeinen Darstellung der Funktionsweise von zielverfolgenden Tachymetern und Untersuchungen zum zeitlichen Verhalten der Tachymeter, insbesondere eine Überprüfung der von Leica Geosystems entwickelten Funktion SynchroTrack zur synchronisierten Messung von Winkeln und Strecken. Außerdem wurden Versuche vorgenommen, um Aussagen über die Zeitdauer vom Aufzeichnen der Messwerte bis zu deren Registrierung treffen zu können

Die Datenaufzeichnung erfolgt mit Tachymetern der Serie TPS 1200 von Leica. Die Messwerte werden via Kabel oder Funk an einen Rechner übertragen, der diese mit einem Zeitstempel versieht. Dies ist eine wichtige Vorraussetzung um später Informationen über Geschwindigkeit und Beschleunigung eines bewegten Objektes ableiten zu können.

Methoden zur Analyse von Bewegungsabläufen

Im Rahmen der Diplomarbeit wurden mehrere Verfahren getestet, die es ermöglichen aus zeitcodierten tachymetrischen Messwerten die Ortsfunktion und deren Ableitungen eines bewegten Objektes zu bestimmen. Als die am besten geeignete Methode hat sich die Anwendung der Kalman-Filterung erwiesen. Die auf verschiedenen kinematischen Modellen basierenden Varianten der Kalman-Filterung wurden ausführlichen Untersuchungen unterzogen um die am besten Geeignete bestimmen zu können.

Die am besten geeignete Variante des Kalman-Filters wird anschließend mit verschiedenen Bewegungen auf ihre Leistungsfähigkeit hin untersucht. Dazu werden unter anderem die Bewegungen einer LGB-Bahn auf einem Gleisoval, eine Pendelbewegung, eine Bewegung mit Stillstandsphasen und eine Bewegung mit hoher Geschwindigkeit (nahe der vom Tachymeterhersteller vorgegebenen  Maximalgeschwindigkeit für den Trackingmodus) untersucht, mit dem Ergebnis, dass alle Bewegungsabläufe zuverlässig gefiltert werden können. Beispielhaft werden an dieser Stelle die Ergebnisse der Filterung der Bewegung der LGB-Bahn dargestellt.

Als abschließender Test der Kombination Tachymeter und Kalman-Filter erfolgt der Vergleich einer sowohl mit Tachymeter als auch mit GPS aufgezeichneten Bewegung.

Validierung VIS.TRACK

Ein Anwendungsszenario für die Ableitung von Positions-, Geschwindigkeits- und Beschleunigungsinformationen ist die Überprüfung des Systems VIS.TRACK der Cairos technologies AG. Hierbei handelt es sich um ein System mit welchem aus Videobildern in Echtzeit Informationen zu Laufwegen, Laufleistung, Geschwindigkeiten u.a. von Fußballspielern abgeleitet werden können. Von Seiten der Cairos technologies AG bestand Interesse die Genauigkeit der von VIS.TRACK ermittelten Distanz und der Geschwindigkeit eines Fußballspielers mit einem unabhängigen System zu verifizieren. Dazu wurde eine Testperson gleichzeitig mit VIS.TRACK und mehreren Tachymetern getrackt und die Ergebnisse miteinander verglichen.

 Ausgewertet wurden letztendlich 7 Laufwege, die über das gesamte Spielfeld verteilt waren. Für die zurückgelegten Laufwege ergab sich eine durchschnittliche Abweichung der von VIS.TRACK ermittelten Distanzen gegenüber den tachymetrisch ermittelten von 0.95%. Die durchschnittliche Abweichung der Durchschnittsgeschwindigkeiten betrug 0.62%. Dies ermöglicht die Schlussfolgerung, dass VIS.TRACK zuverlässig in der Lage ist zurückgelegte Distanzen und Geschwindigkeiten eines Fußballspielers zu schätzen. Es hat sich aber auch gezeigt, dass dieses Ergebnis, unter einer besseren Berücksichtigung der Verzeichnungseffekte bei VIS.TRACK, verbessert werden kann.

Fazit

Die Untersuchungen im Rahmen dieser Arbeit haben gezeigt, dass mit Hilfe des Kalman-Filters aus zeitcodierten tachymetrischen Messwerten zuverlässig Informationen zu Position, Geschwindigkeit und Beschleunigung eines bewegten Objektes abgeleitet werden können. Es existieren dabei nur Einschränkungen hinsichtlich der Objektgeschwindigkeit, die kleiner als die von Hersteller angegebene Geschwindigkeit für den Tackingmodus (hier 5 m/s) liegen soll, und der beschränkten Reichweite des Tachymeters (max. 500m). Die Bewegungsanalyse mit Tachymeter und Kalman-Filter hat sich auch als ebenbürtig der Bewegungsanalyse mit anderen Sensoren wie z.B. GPS erwiesen. Auch im Vergleich mit VIS.TRACK hat das Tachymeter sehr gut abgeschnitten.