Warschau, im September 2022. Über 1.000 Geodäten, Surveyors, GIS- und Landexperten trafen sich – endlich wieder in Präsenz – beim nur alle 4 Jahre stattfindenden 27. Weltkongress der International Federation of Surveyors (FIG) in Polens wunderschön restaurierter Hauptstadt Warschau. Die FIG umfasst Mitgliedsverbände und Hochschulvertreter aus 115 Ländern und ist offizieller Partner vieler UN-Institutionen und z.B. auch der Weltbank. Das Motto des Kongresses war „Volunteering for the future – Geospatial excellence for a better living.“
Zur Erreichung eines besseren Lebens in der Welt gehört zuvorderst die Entwicklung angemessener Wohn-, Infrastruktur- und Arbeitsbedingungen durch zukunftsorientierte nachhaltige Stadt- und Landentwicklung und vieles mehr. Sie sollen aber nicht nur in den Städten, sondern entsprechend z.B. dem deutschen und bayerischen Verfassungsgebot der Gleichwertigkeit auch auf dem Lande erreicht werden. Dazu sollen entscheidend die vielbeschworenen Stadt-Land-Partnerschaften beitragen (siehe z.B. die Partnerschaften innerhalb der Metropolregionen München oder Nürnberg).
Folgerichtig widmete sich eine Plenary session des FIG Kongresses dem Thema „urban rural partnership“. Die zwei Keynote Speaker waren Prof. Holger Magel, TUM, der sich diesem Thema ein Leben lang in Praxis, Wissenschaft, Beratung und Ehrenamt gewidmet hat, sowie Robert Lewis Lettington, Direktor der UNHabitat Land, Housing and Shelter Section in Nairobi und Vertreter der UNHabitat im Human Rights Council .
Für Holger Magel bedeutete die Einladung der Veranstalter, erneut vor der Weltgemeinschaft über das Thema zu referieren, zunächst eine Zeitreise zurück nach Marrakech in das Jahr 2003. Als damals amtierender Präsident hat er die FIG Regional Conference im von massiver Landflucht geprägten Marokko erstmals in der Geschichte der FIG auf das Thema „urban rural interrelationship for a sustainable development“ ausgerichtet. Seine damalige Eröffnungsrede endete mit der Feststellung: „Urban-rural interrelationship for sustainable development is from the point of view of the FIG a central theme of the worldwide idea of good governance.“ Daran hat sich nichts geändert. Im Gegenteil: Das Thema hat über Good Governance hinaus als entscheidender Teil der zu Recht neu aufgeflammten Gerechtigkeitsdebatten (siehe die Liste prominenter Autoren wie Rawls, Sandel, Dworkin, Sen ,Soja, Piketty) weltweit und auch in Deutschland noch an Bedeutung gewonnen, insbesondere als Folge unveränderter Stadt-Land Wanderungen sowie der verschärften Migrations-, Klima-, Energie- und Nahrungskrisen und der dadurch ausgelösten Rufe nach der Großen Transformation (siehe die bisher nur zögernd wahrgenommenen Mahnungen des deutschen WBGU von 2011). Magel nutzte in seiner Keynote die Gelegenheit, auf das von ihm und Prof. Manfred Miosga im Rahmen ihrer Arbeit in der Enquetekommission „Gleichwertige Lebensbedingungen in ganz Bayern“ entwickelte ubiquitär einsetzbare Modell der Räumlichen Gerechtigkeit sowie auf die dringende Notwendigkeit eines neuen Denkens (Stichwort Mindshift) hinzuweisen.